Sie stehen immer und überall im schlechten Licht, und niemand will sie haben: Journalisten versuchen in einer Reportagensammlung, einen Kontrapunkt zur berüchtigten „Flüchtlingskrise“ zu setzen.
Es bedarf wohl eines weltumspannenden Netzwerks wie jenes der Weltreporter, das Thema Flüchtlinge aus dem nationalen Kontext zu lösen und fernab von Populismus einen globalen Blick auf Fluchtursachen und den politischen Umgang mit Flüchtlingen zu werfen. Mehr als zwei Dutzend Journalisten des „größten Netzwerks freier deutschsprachiger Autoren“ (Selbstbeschreibung) haben zum Band „Die Flüchtlingsrevolution“ beigetragen und mit ihren Reportagen eine so schillernde wie erschütternde Momentaufnahme der Schattenwelt der von Krieg, Gewalt und Armut Entwurzelten geschaffen.
„Wir leben nicht, wir warten.“
Die knappe Formel, mit der die pakistanische Englischlehrerin Fatima ihr Schicksal beschreibt, trifft auf die Mehrheit der weltweit 65 Millionen Menschen zu, die laut UNHCR auf der Flucht sind. Sie fliehen vor Krieg, Gewalt gegen Minderheiten, politischer Verfolgung, Armut, Hoffnungslosigkeit und stranden irgendwo, oft für Jahre, manchmal für immer. Fatima wartet seit vier Jahren in Cisarua, einem Dorf sechzig Kilometer südlich der indonesischen Hauptstadt Jakarta, darauf, dass sich eine Tür in die Zukunft öffnet.
Bereits Anfang 2015, also lange vor dem schicksalhaften September 2015, in dem Angela Merkel die Grenzen vorübergehend öffnete, gab es 800.000 Asylsuchende – nicht in Deutschland, sondern in Südafrika.
Das größte Flüchtlingslager der Welt liegt nicht in Griechenland oder der Türkei, sondern in Kenia.
Quelle: Frankfurter Allgemeine Feuilleton
*Marc Engelhardt (Hrsg.): „Die Flüchtlingsrevolution“. Wie die neue Völkerwanderung die ganze Welt verändert. Pantheon Verlag, München 2016. 351 S., br., 16,99 €.